Die Entwicklung der Union Tosa Juku Austria: Japanische Schwertkampfkunst schlägt Wurzeln in Wien










Wir sind ein Verein mit einer langen Geschichte, die unmittelbar mit dem Leben und Wirken des österreichischen Schwertkampfpionier Erwin Steinhauser und anderen Budō-Persönlichkeiten verknüpft ist.

Respekt und Dankbarkeit für die, die den Weg vor uns gegangen sind!

Erwin Steinhauser: Ein Mann findet zum Schwert und zu seiner Berufung

Nach seiner höchst erfolgreichen Karriere als Judoka und Gründung des Judovereins Asahi Union Budokan Austria 1970, entdeckte der am 04.04.1940 in Wien geborene Kunsttischler Erwin Steinhauser die diffizile japanische Samurai Tradition des schnellen Schwertziehens. Erste Schritte ginge er unter Anleitung von Wolfgang Schneider noch im Stil der Musō Shinden Ryu.

Der Weg mit Yan de Haan

Durch den holländischen Großmeister Yan de Haan (8.DAN) gelangte im Februar 1991 die Schwertkunst der Musō Jikiden Eishin Ryu nach Österreich. Yan de Haan reiste in seinen jungen Jahren um die ganze Welt und lebte einige Jahre in Paris, wo er erstmal mit dem japanischen Budō in Berührung kam. Anfangs studierte er unter Meister Mochizuki Hiroo die verschiedensten Kampfkünste. Von Anfang an beeindruckte Yan de Haan der philosophische Inhalt und der ethische Wert des Budo.

Kurze Zeit später brach Yan de Haan alle Brücken hinter sich ab und ging nach Japan, um bei dem Vater seines Lehrmeisters Mochizuki Minoru das wahre Budō zu lernen. Während seiner immer wieder folgenden Japan – Aufenthalte lernte er den 21. Hauptmeister der Musō Jikiden Eishin Ryu, Sekiguchi Takaaki kennen. Der unvergleichliche, ursprüngliche Stil dieser Ryu faszinierte Yan de Haan derartig, dass er sich nur mehr voll und ganz dieser Budō-Disziplin widmete. Sekiguchi -Sensei erkannte das große Talent in Yan de Haan und gestattete ihm, sein Iai-jutsu und Iaidō der Muso Jikiden Eishin Ryu in Europa zu lehren. 1987 gründete Yan de Haan die Europe Iaidō Assocication (E.I.A.). Bereits 1992 begannen die Lehrgänge in Tulln (NÖ), die bis 1998 durchgführt wurden. TV und Presse berichteten und Iaidō und Iai-jutsu erreichten einen hohen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit.

Im April 1994 übertrug Yan der Haan Erwin Steinhauser und damit dem Asahi Union Budōkan Austria die Repräsentanz der Musō Jikiden Eishin Ryu für Österreich. 1997 absolvierte Erwin Steinhauser die traditionelle Schwertprüfung Mokuroku unter Yan de Haan. Ein Jahr später trennten sich die Wege der beiden Budōka. Die prägenden Jahre unter Yan de Haan waren für Erwin Steinhauser Motivation und Verpflichtung seinem großen, hervorragenden Lehrmeister gegenüber, die Tradition und Philosophie der Musō Jikiden Eishin Ryu weiter zu geben und weiter zu pflegen. 2012 wurde Erwin Steinhauser von Yan de Haan der 6. DAN zuerkannt.

Der Weg mit Sekiguchi Komei – Soke

Zitat ORF – Fernsehsendung – Sportbild – anlässlich des 1.Besuches von Sekiguchi Komei-Soke am 15. April 2001:

“Iaidō ist eine vor über 450 Jahren entstandene Kampfkunstschule mit dem Samurai-Schwert ohne Wettkampf.
Die japanische Schwertkampfkunst laido ist aber nur vom Namen her kriegerisch.
Im Vordergrund steht nämlich der spirituelle Gedanke und die Meister dieser Sportart sind um eine friedliche Botschaft bemüht, denn eigentlich geht es eher um eine Lebensphilosophie.
Der Fortbestand des kulturellen Erbes soll als Gegensatz zur Hektik des Industriezeitalters verstanden werden.
Es gilt, keinen Gegner zu verletzen, sondern vielmehr durch diszipliniertes Üben in eine neue, faszinierende Bewusstseinsdimension vorzudringen.
Eine Hilfe ohne Wettkampf, nur um mit sich selbst eins zu werden”.

Im Sommer des Jahres 2000 erfolgte durch Erwin Steinhauser der erste Kontakt zum derzeitigen Weltoberhaupt der Musō Jikiden Eishin Ryu Iai-jutsu, Sekiguchi Komei-Soke. 2001 besuchte uns Sekiguchi-Soke und verweilte vom 9. – 22. April in Wien und Tulln, um uns in die Geheimnisse seiner Schule einzuweihen. 1980 wurde Sekiguchi Komei- Sensei mit dem schwierigen Amt des 21. Hauptmeisters beauftragt. Seit diese Zeit lebt, arbeitet und unterrichtet er Musō Jikiden Eishin Ryu Iai-Iutsu und Komei Jyuku Iaido und widmet sein Leben und seine Energie dem Ziel, die Techniken und die Philosophie seiner Schule auf der ganzen Welt zu verbreiten. Sein Motto ist :

Iai- Shushin – Das Vervollkommnen der Persönlichkeit durch die Übungen des Iaidō.

Erwin Steinhauser wurde Dank seiner Verdienste am 13. April des Jahres Heisei 13 (2001) durch Sekiguchi Komei-Soke feierlich beauftragt als Shibucho (Repräsentant) für MJER (Musō Jikiden Eishin Ryu) in Österreich zu vertreten, zu pflegen und zu verbreiten. Unser Verein wurde damit formell im Jahre 2001 als Union Komei Jyuku Austria von Erwin Steinhauser- Sensei und einer kleinen Gruppe Budō-Begeisterter in Anbindung an den Honbu Dōjō des 21. Soke für  Muso Jikiden Eishin Ryu -Iaijutsu Sekiguchi Komei in Japan gegründet und stellte sich zur Aufgabe, fernöstliche Kampfkunst und damit auch fernöstliche Lebensart und Lebensweisheit zu übermitteln. Mit der Gründung eines Komei Jyuku Austria Honbu Dōjō wurde dem Schulgründer auch die Vertretung der Nihon Koden Bujutsu Iaidō Association für Österreich übertragen.

Großer Wert wurde von Beginn an auf die philosophischen Inhalte, die ethischen Prinzipien, Etikette und Traditionen gelegt, die in allen traditionellen Budō-Disziplinen enthalten sind.

Als Steinhauser vom 17.11. bis 6.12.2003 in Japan weilte, wurde er als erster Nichtjapaner in die größte traditionelle Kampfsportvereinigung Japans die Kobudō- Kyokai aufgenommen. Mit dreien seiner Schüler, Christian, Michael und Alexander, trat er mit dem Samuraischwert im Itsukushima-Schrein auf der Insel Miyajima auf. Einmal jährlich veranstaltet hier die Nihon Kobudo Kyokai das – Hono Embu Taikai, die größte Veranstaltung dieser Art in Japan.

Der Weg zu Naginata-Jutsu mit Shimizu Nobuko Sensei

Bei diesem Japanaufenthalt bei einem Lehrgang in Trainingszentrum in Katsuura-Chiba, dass Erwin Steinhauser-Sensei die beeindruckende Shimizu Nobuko-Soke kennen und schätzen lernte. Damit begann der Verein sich, vor allem unter der fachkundigen und engagierten Anleitung von Werner Bilina-Sensei dem Umgang mit der Naginata und Tanto zu widmen.

Shimizu Nobuko- Sensei war Professorin an der Ueno Gakuen Souka Hochschule von September 1965 bis März 1975. Stellvertretende Professorin für Musikwissenschaft an der Universität von Ueno Gakuen und dem Junior Kollege, vom April 1975 bis März 2003, bis zu ihrer Pensionierung.

Shimizu sensei war daneben Lehrerin für verschiedene Künste, darunter die Ocha Tee-Zeremonie, Kado Blumenarrangements, Iaijutsu und Osagawara Ryu, die Schule der Etikette.

Nach jahrelanger Ausbildung in der Jikishinkage Ryu Naginatajutsu erhielt Shimizu Nobuko Sensei Tora no Maki von der 17. Soke, Toya Akiki-Sensei, im Jahr 1998; In der Ogasawara Ryu Reiho-Gaku erhielt Shimizu Nobuko Menkyo Kaiden vom 32. Soke, Tadamure Ogasawara-Sensei im Jahr 1984.


Es folgten zahlreiche internationale Lehrgänge gemeinsam mit Sekiguchi Komei- Soke und Shimizu Nobuko-Soke. Legendär und für alle Teilnehmenden wohl unvergesslich war das Seminar am Hochkar in NÖ 2008.

Der eigene Weg: Tosa Juku Ha – Zurück zu den Wurzeln

Im Juli 2011 folgte die Ablösung vom Honbu Dōjō in Tokyo/Japan. Es begann eine neue Ära, in der sich Steinhauser der Erforschung des Ursprung der Schwertkunst zuwendet, der sich von der Halbinsel Tosa ausgehend entwickelt hat. Es erfolgt die Umbenennung auf TOSA JUKU AUSTRIA. In Unabhängigkeit schafft Erwin Steinhauser- Sensei einen freien Raum für Kreativität und Erforschung, mittels Studium der Waza und vertieften Erkenntnis der philosophischen Werte und der Wahrheit, zum Wohle aller Mitmenschen.

Bis zu seinem – unerwarteten- Todestag am 3.10.2024 kümmerte sich Erwin Steinhauser- Sensei als Jukucho (Schulleiter) mit vollem Herzblut um seine Schülerschaft und die Vermittlung seiner großen Budo-Leidenschaft: Musō Jikiden Eishin Ryu – Iaijutsu. Dabei prägte er die Entwicklung des Vereins auch durch seine hohe handwerkliche Begabung, die er unter anderem in der Herstellung von kunstvollen Tosa-Juku-Übungsschwertern aus Holz unter Beweis stellte, die von Größe und Gewicht echten Schwertern nahe kommen sollten. Seine Idee dahinter, war den Schülern ein (ungefährliches) Schwert zur Verfügung zu stellen, das  – im Unterschied zu herkömmlichen Bokken – gleichzeitig anspruchsvoll im Umgang war, und so das Lernen präziser Technik und den Umgang mit richtigen Schwertern hervorragend vorbereitete.

Seit 2011 unterstützte er ebenso Shimizu Nobuko Sensei und die Pflege und Weitergabe der von ihr begründeten Jikishinkage Ryu-Naginata-jutsu, Ryuen-Ha innerhalb von Tosa Juku, das er aber nicht selbst unterrichtete. Seit Werner Bilina seine langjährige Lehrtätigkeit für Naginata-Jutsu bei Tosa Juku beendet hatte, übernahmen Helga Kernstock-Redl (Mjer-Iaijutsu 3. Dan) und Erwin Kernstock (Mjer-Iaijutsu 3. Dan) die diesbezügliche Lehrtätigkeit.

Sein ganzes Leben legte unser Schulgründer Erwin Steinhauser-Sensei Wert auf Qualität. Er war unermüdlich in seinem steten Streben nach Präzision in der Schwertkunst, welche an einer Nähe zur Realitätstauglichkeit gemessen wird.

Das Üben unter seiner Führung war ein hartnäckiges Forschen und Suchen nach dem Ursprung der Schwertkunst und einer „Schwertseele“. Die geistigen Faktoren „Intention und Aufmerksamkeit“ stehen dabei in einem wechselseitigem Prozess, der sich in praktischer Technik, greifbar ausdrückt und Auskunft über die eigene Präsenz und Handlungsqualität respondiert. In gekonnter Klarheit und Harmonie, oder eben auch nicht. Im aufrichtig gelebten Respekt und Demut vor einer echten Koryu, wie MJER, geht es nicht darum etwas stereotyp zu erlernen, zu bezwingen oder darzustellen. Abseits von Sport- und Kultgedanken tradierte Erwin Steinhauser einen besonderen Schatz, dem er sein Leben gewidmet hat, in bescheidener Beharrlichkeit und Streben nach höchster Qualität.

Denn erst im Ringen um hochwertige Technik entsteht eine Übungsqualität und ein persönlicher Entwicklungsprozess, der die im Schwert selbst liegenden Möglichkeit zur spirituellen Erfahrung, in sich trägt.

Nachfolge Doris Nachtlberger: Eine neuer Weg beginnt.

Um einer Zersplitterung seiner Hinterlassenschaft als Budō-Lehrer vorzubeugen, designierte Erwin Steinhauser- Sensei noch zu Lebzeiten im April 2018 seine langjährige Schülerin(uchi deshi) Doris Nachtlberger (Mjer-Iaijutsu 4. Dan) zu seiner persönlichen Nachfolgerin. Mit seinem Tod übernahm die 1973 geborene Doris Nachtlberger (geb. Margetich) die Schulleitung als neue Jukucho und damit Verantwortlichkeit für Pflege und Weitergabe der Kampfkunsttraditionen von Tosa Juku Austria. Sie verfügt über eine über 30-jährige Kampfkunstpraxis in verschiedenen Disziplinen, wobei auch ihr Budōka-Herz bei Iaijutsu hängengeblieben ist. Neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verein arbeitet die ehemalige Jugendrichterin als Budō-Therapeutin mit gewaltbetroffenen Menschen jeden Alters und als Shaolin-Qigong-Trainerin. Seit 15 Jahren befasst sie sich neben ihrer Kampfkunstpraxis mit dem pädagogischen und therapeutischen Nutzen und Einsatz von Kampfkunst. Durch die Erfahrungen ihrer budotherapeutischen Arbeit und den jahrelangem Austausch mit ihrem Lehrmeisters Erwin Steinhauser prägte sie die Idee des Chiyu-jin-ken (Das heilsame Schwert) als Basis für einen zeitgemäßen Zugang zur Praxis der Schwertkampfkunst mit.

Ihr Motto:

Mastering my sword- is mastering myself.